Loch im System |
24.02.2021 23:39:00
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Gründer von Interactive Brokers: GameStop hat uns nahe an Systemkollaps gebracht
• Regeln zum Shorten von Aktien in der Kritik
• Peterffy fordert sofortige Nachbesserung von SEC
Der steile Anstieg und der anschließende Fall der GameStop-Aktie haben sowohl bei Hedgefonds als auch bei vielen Privatanlegern zu Verlusten geführt. Außerdem haben die Ereignisse auch beinahe einen Systemkollaps verursacht, ist sich Thomas Peterffy sicher. Der Gründer von Interactive Brokers sagte gegenüber "MarketWatch" bereits Ende Januar, auf dem Höhepunkt des GameStop-Hypes, dass ein Short Squeeze "theoretisch das ganze System zum Einsturz bringen" könnte und legte vergangene Woche in einem Interview mit "CNBC" noch einmal nach. Dabei kritisierte er auch die Regulierungsbehörden scharf, da es seiner Meinung nach nur aufgrund der aktuellen Regeln zu Leerverkäufen überhaupt so weit kommen konnte.
Mehr GameStop-Aktien geshortet als am Markt existieren
"Ich möchte hier gerne darauf hinweisen, dass wir einem Zusammenbruch des gesamten Systems gefährlich nahegekommen sind und der Öffentlichkeit, inklusive dem Kongress und den Regulatoren, das überhaupt nicht bewusst zu sein scheint", sagte Peterffy am vergangenen Mittwoch im Gespräch mit "CNBC" mit Blick auf die Kursentwicklung bei der GameStop-Aktie Ende Januar. Seiner Meinung nach könne man allerdings niemandem die Schuld für den beinahe erfolgten Systemeinsturz geben, vielmehr gebe es ein "Loch im System", dass durch das Ereignis erst aufgedeckt worden sei und "das wir sofort stopfen müssen", so der Interactive Brokers-Gründer.
Ein Teil des Problems liege laut Peterffy darin, dass es erlaubt sei, mehr Aktien am Markt leerzuverkaufen als tatsächlich im Umlauf sind. So hätte es etwa am 28. Januar, dem Tag des ersten gewaltigen Kurssprungs bei GameStop, 50 Millionen registrierte ausstehende Aktien des Spielehändlers gegeben, während das Short Interest - also die Anzahl der leerverkauften Aktien, die noch nicht glattgestellt wurden - aber bei 70 Millionen Stück lag, erklärte der Experte gegenüber "CNBC". So eine Situation kann zustande kommen, da viele Broker bei einem Aktienkauf auf Kredit das Recht erhalten, die Aktie an Leerverkäufer zu verleihen. Verkaufen diese das Papier dann wiederum an einen Anleger, der den Kauf per Kredit finanziert hat, kann sich dieses Vorgehen wiederholen. "Sobald sich nun ein Wertpapierkredit an den anderen reiht, entsteht eine Kette von Transaktionen, die am Ende zu so einem Zustand führen kann", erläuterte Peterffy gegenüber der "Neue Züricher Zeitung".
Wenn nun die eigentlichen Eigentümer der leerverkauften GameStop-Aktien ihre Wertpapierkredite begleichen, sind die Broker im Gegenzug verpflichtet, ihnen auch die Aktie ins Depot einzubuchen. Falls die Shortseller diese Aktien nicht liefern können, dann müsse der Broker "laut den Regeln des Systems in den Markt gehen und die Aktien kaufen, egal zu welchem Preis", so der Experte im "CNBC"-Interview. Die Broker hätten in einem solchen Fall bei GameStop also mehr Aktien liefern müssen als tatsächlich existieren und das hätte deren Preis laut Peterffy in die Region von tausenden Dollar geschoben.
"Totales Chaos" und schlimmer Domino-Effekt wären möglich gewesen
Verkompliziert wird die ganze Sache noch dadurch, dass nicht nur Aktienkäufer und -verkäufer sowie Broker an einem Handel beteiligt sind, sondern noch Clearinghäuser involviert sind, die zwischen den beiden Handelspartnern stehen und die Zahlung garantieren, falls ein Handelspartner diese nicht leisten kann. Diese Clearinghäuser verlangen von den Banken und Brokern, die zu ihren Mitgliedern gehören, üblicherweise eine gute Kapitalisierung, die Hinterlegung von Kreditsicherheiten und Einzahlungen in einen Fonds, der bei Zahlungsunfähigkeit einspringt.
Wenn ein Broker nun etwa von den Verlierern, in diesem Fall den Leerverkäufern, kein Geld einsammeln kann, muss er selbst ausreichend Kapital besitzen um die Verluste gegenüber dem Clearinghaus abzudecken, so Peterffy gegenüber "MarketWatch". Wenn der Broker dafür nicht ausreichend Kapital besitzt, gerät er gegenüber dem Clearinghaus in Zahlungsverzug. Dieses wird in diesem Fall das ihm fehlende Geld von seinen anderen Mitgliedern beschaffen, was laut dem Gründer von Interactive Brokers zu einem Domino-Effekt von Zahlungsunfähigkeiten führen kann. "Während also der Preis [für die GameStop-Aktie] nach oben geht, geraten die Shorts gegenüber den Brokern in Zahlungsrückstand, die Broker müssen sich nun selbst eindecken und das treibt den Preis weiter hoch, also geraten die Broker gegenüber dem Clearinghaus in Zahlungsverzug und am Ende hat man ein totales Chaos, das praktisch unmöglich wieder aufzulösen ist. Das ist es, was fast passiert wäre", fasste Peterffy die Situation gegenüber "CNBC" zusammen.
Einige Broker wie Robinhood und auch Peterffys Interactive Brokers reagierten auf dieses drohende Unheil, indem sie - unter heftiger Kritik - die Anforderungen an die Sicherheitseinlagen erhöhten und den Handel mit bestimmten Aktien wie GameStop begrenzten. So ließ etwa Interactive Brokers nur noch das Liquidieren oder Schließen von Positionen zu und verlangte zudem für Long-Positionen eine Sicherheitsleistung von 100 Prozent und für Short-Positionen eine Sicherheitsleistung von 300 Prozent, wie "MarketWatch" berichtete.
Peterffy: So könnte die SEC solche Probleme künftig vermeiden
Eine Erhöhung der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsleistung beim Short-Selling sowie eine häufigere Veröffentlichung von Daten zu Leerverkäufen sind dann auch die zentralen Forderungen, die Thomas Peterffy an die Gesetzgeber und Regulatoren stellt, um ähnliche Situationen für die Zukunft zu vermeiden. Denn das Hauptproblem sei, dass die erforderlichen Sicherheitsleistungen für Shorts nicht ansteigen, wenn das Short Interest - also die Anzahl der Leerverkäufe - steige, sage er gegenüber "CNBC". Das läge aber auch daran, dass niemand das tatsächliche Short Interest kenne, da die SEC nur zweimal im Monat entsprechende Daten veröffentliche. Peterffy fordert daher eine tägliche Meldung der aktuellen Leerverkaufsdaten. Außerdem läge es an der SEC "die Vorgabe für Margenanforderungen für die Leerverkäufer anzupassen - von bisher 50 Prozent hinterlegtem Eigenkapital auf 100 Prozent plus 1 Prozent von jedem zusätzlichen 1%-Anteil der schon 'geshorteten' Papiere", sagte er der "Neue Zürcher Zeitung". Dann wären "immer genug Sicherheiten da, und niemand bliebe am Ende in der Patsche sitzen".
Redaktion finanzen.at
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