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GELD-Magazin 01.06.2017 15:16:09

Hypotheken-Darlehen: Österreichischer Immobilienmarkt auf dem Weg zur Preisblase

Kolumne

Text: Michael Kordovsky, GELD-Magazin

Das ESRB (Europäischer Ausschuss für Systemrisiken) warnte am 22. September 2016 erstmals die zuständigen Minis­terien von acht EU-Ländern, darunter auch Österreich, vor einer Überhitzung des Immobilienmarktes. Für Österreich lag die Begründung der Warnung in signifikanten Preisanstiegen und einer expansiven Kreditvergabe. So stieg laut ESRB die PTI-Ratio (price-to-income, Wohnimmobilienpreise zu Einkommen) vom ersten Quartal 2010 bis zum ersten Quartal 2016 um 27 Prozent, während im EU-Schnitt ein Rückgang um ein Prozent verzeichnet wurde. Selbst die Mieten können nicht mehr mit dem Immobilienpreisanstieg Schritt halten. Im zuvor genannten Zeitraum stieg nämlich der price-to-rent Index (Verhältnis Wohnimmobilienpreise zu Mieteinnahmen) von 100 auf 113 Prozent. Der Index aller EU-Länder ging indessen auf 97 Prozent zurück. Nimmt man den Wohnimmobilienpreisindex der OeNB (Österreichische Nationalbank) und wirft im Vergleich dazu einen Blick auf die Nettoeinkommen der unselbstständig Beschäftigten, ergeben sich folgende Fakten:

- Von 2000 bis 2016 stiegen in Österreich die Wohnimmobilienpreise (Einfami­lienhäuser, neue und gebrauchte Wohnungen) um 80,4 Prozent (in Wien sogar um 117,2 Prozent!).
- Wien 2000 bis 2016: Preisanstieg gebrauchter Wohnungen um 126,4 Prozent (5,2 Prozent p.a.).
- Österreich: Das durchschnittliche Jahresnettoeinkommen stieg von 2000 bis 2016 nur um 32,1 Prozent bzw. 1,8 Prozent p.a.

Zinscrash befeuert Immobilienboom

Bis zum Jahr 2008 waren im 3-Monats-Euribor Werte von rund vier Prozent üblich. 2009 waren es im Schnitt nur noch knapp über ein Prozent, ehe bis heute ein schrittweiser Rückgang auf minus 0,33 Prozent folgte. Von 2000 bis 2008 stiegen die Wohnimmobilienpreise bundesweit nur um 15,4 und in Wien um 25,5 Prozent. Im Vergleich dazu beschleunigte sich der Anstieg von 2008 bis 2016 auf 56,3 bzw. 73,1 Prozent oder anders ausgedrückt auf 5,7 bzw. 7,1 Prozent p.a.

Ab 2009 konnten Anleger mit Bundesanleihen und Sparbüchern keine nennenswerten Erträge mehr generieren und die Angst vor der Geldentwertung trieb wohlhabende Investoren scharenweise in Betongold. So ist es nicht verwunderlich, dass in Wien von 2008 bis 2016 die Preise für gebrauchte Eigentumswohnungen um 82,4 Prozent bzw. 7,8 Prozent p.a. stiegen. Im Vergleich dazu legte das durchschnittliche Netto-Jahreseinkommen der unselbstständig Beschäftigten (bundesweit) nur um 14,5 Prozent zu. Konkret bedeutet dies, dass ein Durchschnittsverdiener, der 2008 für eine 80-m2-Wohnung 6,8 Jahreseinkünfte brauchte, 2016 bereits 10,8 Jahreseinkünfte aufwenden musste. Noch krasser ist die Situation in Innsbruck: Die Preise für Erstbezugs-Eigentumswohnungen guter Wohnqualität explodierten dort von 2008 bis 2013 von 2757 auf 3838 Euro pro m2. Heute herrscht dort akuter Angebotsmangel. Neue Wohnungen in guten Gegenden kosten mittlerweile 6000 Euro pro m2 und aufwärts. Teils werden sogar Liebhaberpreise bezahlt, wie beispielsweise von einem Hotelier, der eine 100 Meter von der Universität entfernte 60-m2-Wohnung um 420.000 Euro kaufte. Aber Mietrenditen von 2,5 bis 4,5 Prozent sind noch immer besser als 0,4 bis 1,25 Prozent auf Sparkonten.

Zinsentief macht Immobilien derzeit leistbar

Wer hingegen mangels Eigenmittel auf Immobilienkredite angewiesen ist, erfreut sich niedriger Zinsen. Laut diversen Kreditmaklern haben bei der Kalkulation der fiktiven Rate Banken in den vergangenen Jahren den Durchrechnungszins von tenden­ziell sechs Richtung vier Prozent gesenkt, was den einen oder anderen Engpass in der Haushaltsrechnung beseitigt.

Derartige Entwicklungen fördern den fremdfinanzierten Immobilienkauf und halten die Preise weiter auf hohem Niveau. Trotzdem sind die systemischen Risiken in Österreich mit einem Verhältnis Hypothekarkredite/CET1 (hartes Kernkapital der Banken) von 165 Prozent im internationalen Vergleich gut überschaubar. Das bedeutet noch Hypothekarkredit-Expansionsspielraum, den die Banken nützen.

Dazu Vorstandsdirektor Markus Sattel von der Salzburger Sparkasse: "Die Nachfrage nach Wohnbaufinanzierungen ist ungebrochen hoch und wir verzeichnen bereits das dritte Jahr in Folge eine zweistellige Zuwachsrate bei den Ausleihungen im privaten Wohnbau." Niedrige Zinsen sind dabei ein wichtiger Faktor, der trotz Preisexplosion in den vergangenen Jahren Immobilienkäufe auf Kredit noch immer erschwinglich macht.

Wie stark dieser Einfluss ist, dokumentiert ein Leistbarkeitsindikator, der seit dem Jahr 2000 zeigt, wieviel Wohnraum man sich leisten konnte. Die Entwicklung eines fiktiven maximalen Kreditvolumens (Rate 25 Prozent des Nettoeinkommens, Zins 1,50 Prozentpunkte Aufschlag auf 3-Monats-Euribor) steht der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise gegenüber. Da das fiktive maximale Kreditvolumen infolge höherer Einkommen und niedrigerer Zinsen seit dem Jahr 2000 um gut 112 Prozent stieg, erhöhte sich die Leistbarkeit von Wohnimmobilien im bundesweiten Schnitt um ca. 18 Prozent. Hingegen bei den gebrauchten Wohnungen in Wien nahm bis 2016 gegenüber dem Jahr 2000 die Leistbarkeit um gut sechs Prozent ab.

Ernüchternder ist jedoch eine Betrachtung des Zeitraums 2009 bis 2016, in dem die Leistbarkeit von Wohnimmobilien im bundesweiten Schnitt um 16 Prozent abnahm. Noch krasser war in diesem Zeitraum die relative Teuerung von gebrauchten Eigentumswohnungen in Wien. Deren Leistbarkeit nahm um gut ein Viertel ab. Wer damals z.B. noch 50 m2 fremdfinanzieren konnte, musste 2016 mit 37,5 m2 das Auslangen finden. Für Banken spielt dies derzeit noch keine Rolle. Für sie ist primär die Leistbarkeit des Wohnkredites und weniger die langfristige Werthaltigkeit der Immobilien ausschlaggebend.

"Wenn die Schätzung plausibel und die Haushaltsrechnung die Leistbarkeit für den Kreditnehmer bestätigt, spricht also absolut nichts gegen ein Hypothekardarlehen. Die Belehnung kann im Falle eines Bauspardarlehens max. 80 Prozent des Schätzwertes betragen. Sonst gibt es aber keinen Einfluss auf den Eigenmittelanteil", so eine Stellungnahme der Erste Bank.

Ähnlich reagierte auch die Raiffeisen in Wien: "Die Kreditentscheidung begründet sich in erster Linie durch die Leistbarkeit und nicht durch das zur Besicherung dienende Objekt." Ebenfalls ausschlaggebend ist die Leistbarkeit bei der Bank Austria, die genauso wie Erste Bank und "Raiffeisen in Wien" keine Immobilienblase sieht: "Die OeNB zeigt in ihrem aktuellen Immobilienmarktindikator zwar, dass Wohnimmobi­lien in Wien etwas überbewertet sind, die Gefahr einer Blase wird jedoch auch von der OeNB aktuell nicht gesehen. Daher sind wir hier nach wie vor zuversichtlich, dass das in Wien nicht geschieht", so Christian Noisternig, Bereichsvorstand Privatkunden, Geschäftskunden und Freie Berufe (Bank Austria).

Achtung!

So wie die Zinsen gefallen sind, können sie eines Tages wieder steigen. Es reicht bei einem Kredit mit 25 Jahren Laufzeit und einem Volumen von 200.000 Euro bereits ein Zinsanstieg um 1,50 auf 3,50 Prozent und die monatliche Rate verteuert sich von 800 auf 1000 Euro. Eine derartige Beschneidung der zinsabhängigen "Immokaufkraft" ist durchaus in der Lage, eine kräftige Korrektur am Immobilienmarkt einzuleiten, zumal partielle Blasentendenzen erkennbar sind. Auch eine Vermögenssteuer auf leer stehende Wohnungen ist denkbar. Spätes­tens dann könnte die Werthaltigkeit von Immo-Engagements für Banken zu einem wesentlichen Thema werden.

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Bildquelle: GELD-Magazin
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