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GELD-Magazin |
20.04.2017 16:29:46
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Mit Bomben und Granaten
Text: Harald Kolerus, GELD-Magazin
Es sind beunruhigende Töne, die uns aus den Vereinigten Staaten erreichen: "Wir müssen wieder Kriege gewinnen", donnerte Donald Trump und forderte eine "historische Steigerung" des US-Verteidigungsbudgets. Dass Trump bereit ist, die militärische Karte zu spielen, hat er bereits in Syrien bewiesen. Vielleicht auch, um von innenpolitischen Misserfolgen abzulenken? Lassen wir das einmal dahin gestellt.
Krieg mit China!
Aufhorchen ließ jedenfalls auch eine Wortmeldung von Trumps Chefberater Stephen Bannon. Er meinte, die Vereinigten Staaten und China würden in den nächsten zehn Jahren in einen militärischen Konflikt rund um das Südchinesische Meer verwickelt werden. Das macht Aufrüstung praktisch zur Gebot der Stunde, wobei der US-Verteidigungsetat nach den Plänen Trumps um zehn Prozent oder 54 Milliarden Dollar angehoben werden soll. Dem nicht genug: Der neue US-Präsident hat seine NATO-Partner ohne Umschweife dazu aufgefordert, sie mögen dringlichst ihren Verpflichtungen nachkommen und kräftig in Rüstung investieren. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, bezeichnete er das Verteidigungsbündnis schon mal als "obsolet". Tatsächlich sieht das NATO-Reglement jedenfalls vor, dass zumindest zwei Prozent des BIP der Mitglieder in den Verteidigungsetat fließen sollten. Die meisten Staaten liegen jedoch deutlich darunter. Folgen große Volkswirtschaften wie Deutschland den Forderungen Trumps, so würden zusätzliche Abermilliarden in die globale Rüstungsindustrie fließen, die ohnedies bereits 1,5 Billionen Dollar schwer ist. Ob das Säbelrasseln Trumps tatsächlich einen neuen globalen Rüstungswettlauf auslösen wird, lässt sich laut Andrea Warnecke, Wissenschafterin am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK), nur "unheimlich schwer" beantworten: "Die naheliegendste ,Rüstungsachse‘ zu den USA bildet Russland. Putin hat aber angekündigt, bei Aufrüstung nicht mitziehen zu wollen. Ein großes Fragzeichen ist hier das tatsächliche Verhältnis zwischen Trump und Putin, das noch im Dunkeln liegt. Die Beziehung zwischen den USA und Europa ist prinzipiell weniger konfrontativ. Nachdem aber nach den Aussagen Trumps die NATO-Bündnisbereitschaft in Frage gestellt wurde, hat man zumindest auf diskursiver Ebene in Europa bereits reagiert. Merkel zum Beispiel hat zwar gesagt, sich nicht drängen lassen zu wollen, allerdings hat sie auch betont, dass das Zwei-Prozent-Ziel erfüllt werden soll. In der Vergangenheit hingegen sind die Forderungen nach Aufrüstung, die ja seitens der USA nicht neu sind, von den Europäern zumeist schnell abgewiegelt worden." Das Novum, dass die NATO-Bündnispflicht jetzt nicht mehr so einfach als selbstverständlich gesehen wird, hat in Verbindung mit dem Krieg in der Ukraine laut der Expertin jedenfalls zu "vermehrten Unsicherheiten" geführt. Und dabei ist an dieser Stelle noch gar nicht die Situation in Asien bzw. im Südchinesischen Meer erfasst, die noch einmal zu einer Verschärfung führt. Zumal die US-Regierung gegenüber China konfrontativ auftritt. Diese zunehmenden Unsicherheiten und Spannungen könnten bei der Rüstungsindustrie für eine neue Hochsaison sorgen.
Profiteure im Billionengeschäft
Dabei liefen schon in der Vergangenheit die Geschäfte nicht schlecht, wie Journalist und Autor Markus Bickel weiß. Er hat in seinem Anfang April erschienenen Buch "Die Profiteure des Terrors" den Zusammenhang zwischen Terrorangst, Aufrüstung, politischer Einflussnahme und bar klingender Münze genau unter die Lupe genommen. Im Gespräch mit dem GELD-Magazin zieht er das Fazit: "Der Krieg gegen den Terror - etwa die Interventionen in Irak und Afghanistan - hat der Militärindustrie Milliardenumsätze eingebracht. Alleine die US-Rüstungsunternehmen zeichnen dabei für rund die Hälfte der zuletzt 370 Milliarden Dollar schweren Umsätze des globalen Waffenhandels verantwortlich." Aber auch Deutschland, auf das sich sein Buch hauptsächlich konzentriert, mischt kräftig mit: 2016 standen mit Saudi-Arabien, Algerien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wieder drei arabische Diktaturen unter den Top-Ten-Empfängerländern deutscher Militärtechnik. Auch mit den Waffenkonzernen selbst geht Bickel hart ins Gericht: "Die VAE wollen eine vom Ausland unabhängige Rüstungsindustrie etablieren und unter anderem eigene Munitionsfabriken aufbauen. Die deutsche Rheinmetall ist beim dafür notwendigen Wissenstransfer ganz vorne dabei. Rheinmetall unterhält auch Joint Ventures mit südafrikanischen Firmen, die Waffen an die VAE liefern. Kontrollmöglichkeiten gibt es hier keine mehr. Bickel kritisiert in diesem Zusammenhang heftig, dass die Richtlinien für Waffenexporte zusehends aufgeweicht werden: "Ein großes Problem ist, dass jeder Staat hier seine eigene Politik fährt. So ist beispielsweise der Eurofighter, als europäische Gemeinschaftsproduktion, etwa in Saudi-Arabien und den VAE im Einsatz. Also Ländern, die man bei bestem Willen nicht als Demokratien bezeichnen kann, wobei Saudi-Arabien einen rücksichtslosen Krieg im südlichen Nachbarland Jemen führt."
Bickel bezeichnet sich selbst nicht als klassischen Pazifisten, er fordert aber humane Entscheidungen, welche Waffen in welches Land geliefert werden: "Lenkflugkörper nach Saudi-Arabien sollten eigentlich ein No-Go sein. Ebenso wie Tränengaskartuschen an Ägypten, ein Land, das hart gegen die eigene Bevölkerung vorgeht." Dass Moral aber bei den Rüstungskonzernen selbst keine Rolle spielt, weiß das Autor aus vielen Gesprächen mit Industrievertretern: "Auf internationalen Rüstungsmessen hört man: ,Wir sind dort, wo unsere Kunden sind - sonst machen das Geschäft eben andere.‘ Waffen werden als ,business as usual‘ gesehen, so als ob man Semmeln verkaufen würde." Als einen wichtigen ersten Ansatz sieht Bickel daher politische Vorstöße, wie den von EU-Parlamentariern im Februar des Vorjahres: "Eine breite Mehrheit der Abgeordneten in Brüssel hat aufgrund der ,desaströsen humanitären Situation‘ im Jemen dazu aufgerufen, keine Waffen mehr an Saudi-Arabien zu liefern. In den Niederlanden hat daraufhin das Parlament die Regierung aufgefordert, das Embargo sofort umzusetzen; ebenso hat Schweden einen großen Rüstungsvertrag mit den Saudis nicht verlängert." Dass der Vorstoß Trumps dazu führen wird, dass Deutschland seine Rüstungsausgaben drastisch erhöht, glaubt Bickel übrigens nicht, dazu fehle auch ganz einfach das Geld. Der Autor meint hingegen, dass sich jetzt eine Rüstungs-Gegenbewegung inklusive breiterer Friedensdiskussion entwickeln könnte. Prinzipiell fordert er stärkere Kooperationen mit der Zivilgesellschaft in Krisenregionen: "Um ein Beispiel zu nennen: Sowohl das Regime Assads als auch des IS sind verbrecherisch. Es gilt, diejenigen zu finden, die dazwischen stehen. Die Menschen, die für Transparenz und ein demokratisches politisches System eintreten, sind sehr wohl zu identifizieren, auch wenn das nicht immer einfach ist. Es ist aber eben ein mühsamer Weg, demokratische Gesellschaften aufzubauen." Trotz der zivilen Ansätze, die Bickel beschreibt, scheint aufgrund der weltpolitischen Konstellation derzeit dennoch eine Tendenz zu mehr Rüstung zu bestehen. Was uns zu der heiklen Frage führt, ob Investments in die boomende Waffenindustrie unter Umständen ethisch vertretbar sind? Hier gibt es unterschiedliche Meinungen.
Eine Frage der Moral
So hat die Erste Asset Management (EAM) sich bereits mit Stichtag 1. Juli 2011 dazu verpflichtet, in allen ihren Investments auf Unternehmen zu verzichten, die im Bereich "geächtete Waffen" aktiv sind. Was zählt dazu? Die Vereinten Nationen sehen die Wirkungsweise verschiedener Waffensysteme als dermaßen Menschen verachtend an, dass sie verschiedene Konventionen zur Ächtung dieser Waffen verabschiedet haben. Aktuell gibt es Konventionen für Antipersonenminen, Atomwaffen, biologische und chemische Waffen sowie Streumunition. Als nicht geächtet gelten z.B. Panzer, Kampfjets, Gewehre oder Pistolen. Uranmunition, die von Experten ebenfalls als sehr kontrovers angesehen wird, ist bisher durch kein eigenständiges internationales Abkommen geregelt, ein entsprechender Konventionsentwurf liegt aber vor. Für die EAM sind Unternehmen, die im Bereich Uranwaffen tätig sind, jedenfalls ein No-Go. Für die Ethik-Fonds des Unternehmens gelten noch rigidere Kriterien. Aber gehen Waffen und Ethik überhaupt unter einen Hut? Alexander Osojnik, Senior Research Analyst im ESG-Team (Environment Social Governance) der EAM, meint dazu: "Das ist eine schwierige Frage, über die sich auch die Gelehrten nicht einig sind. Es gibt hier zwei Gegenpole: Die einen sagen, dass jeder das Recht dazu hat, sich und seine Familie zu verteidigen. Auf dieses Recht pochen im erweiterten Sinne auch Staaten. Auf der anderen Seite steht der Pazifismus, der Waffen prinzipiell ablehnt. Letztlich kann man einem Investor die Entscheidung nicht abnehmen, ob er in Waffen investieren will oder nicht. Für uns ist deshalb Transparenz überaus wichtig, auf unserer Website ist ganz klar ersichtlich, in welchen Bereichen wir investieren dürfen und was tabu ist."
Der Experte verweist auch darauf, dass nicht immer trennscharfe Linien zwischen militärischem und zivilem Nutzen gezogen werden können, so etwa bei Radaranlagen, Steuerungssoftware oder Transportfahrzeugen: "So betrachten wir zum Beispiel bei Radar- und Steuerungssystemen, wie hoch die Umsätze eines Unternehmens im militärischen Bereich sind, hier haben wir Beschränkungen eingezogen." Ob man nun aus den Forderungen Trumps an seine NATO-Partner bereits einen globalen Rüstungswettlauf ableiten kann, ist für Osojnik derzeit nicht seriös zu beantworten. Sind aber "böse" Investments vielleicht sowieso automatisch gut für die Performance? Frei nach dem Motto: "Geschossen wird ja immer." Der Experte glaubt das nicht und verweist auf das Beispiel des Vice Fund, der in die Rüstungs-, Tabak-, Glücksspiel- und Alkoholindustrie investiert: "Auch diese ,bösen‘ Sektoren folgen wirtschaftlichen Zyklen und die Performance des Vice Fund hat folgerichtig ebenfalls ihre Höhen und Tiefen. Wenn er sich wirklich so gut entwickeln würde, wäre auch das Volumen des Fonds viel größer. Weder die Kapitalisierung des Produkts, noch die Wertentwicklung sprechen also für ,anrüchige‘ Investments." Übrigens haben die Ausschlusskriterien im Rüstungsbereich das Anlageuniversum der EAM um nur rund zwei Prozent bzw. ca. 80 Unternehmen reduziert. Das ist überschaubar.
Reputationsrisiken dominieren
Auch Reinhold Windorfer, Experte bei der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Ratingagentur oekom research, bezeichnet geächtete Waffen als eindeutiges Ausschlusskriterium: "Wir erkennen aber die Notwendigkeit von anderen Waffen im internationalen wie nationalen Umfeld an, zum Beispiel für UN-Friedenseinsätze oder die Polizei. Deshalb beurteilen wir Waffenproduzenten anhand von speziellen Indikatoren, so etwa, ob sie sich von Lieferungen an Autokratien distanzieren oder wie intensiv die Einschulung an den Waffensystemen erfolgt, um Bedienungsfehler und somit Kollateralschäden möglichst zu vermeiden." Es kommen auch klassische Messgrößen aus dem Nachhaltigkeitsbereich zur Anwendung, wie der Umgang mit den eigenen Mitarbeitern oder das Umweltmanagement. So ist es möglich, innerhalb einer prinzipiell nicht nachhaltigen Industrie ein Unternehmens-Ranking anhand von ethischen Kriterien zu erstellen. Auch gibt es Unternehmen wie Airbus, die sowohl das Militär als auch zivile Sektoren beliefern.
Zu nennen ist ebenfalls "dual use", wie bei Transportfahrzeugen, die militärisch oder zivil genutzt werden können. "Wir beurteilen deshalb Unternehmen, die auch in der Waffenindustrie tätig sind, und geben die Informationen an unsere Kunden weiter. Viele Kunden schließen Rüstungs-Investments aber prinzipiell aus. Hier spielt auch ein gewisses Reputationsrisiko eine Rolle: Wer will schon in Firmen veranlagen, deren Waffen im TV oder Internet zu sehen sind, wenn diese in die falschen Hände geraten? Solche Risiken wiegen sehr schwer, auch wenn diverse Ankündigungen für erhöhte Rüstungsausgaben tatsächlich umgesetzt werden sollten und der Waffenindustrie höhere Umsätze bescheren könnten", analysiert Windorfer. Fazit: Bei Rüstungsinvestments kann der Schuss leicht nach hinten losgehen.
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