Quartal enttäuscht Anleger 19.04.2016 18:00:00

Netflix-Aktie bricht ein: Stürzt das "House of Cards" zusammen?

Vor nicht allzu langer Zeit war Netflix der hellste Stern am Himmel der Streamingdienste. Mit seiner eigenproduzierten Politserie "House of Cards" hatte der US-Konzern ab 2013 Maßstäbe gesetzt. Die Serie um den intelligenten und machtbesessenen Abgeordneten Francis "Frank" Underwood, gespielt von Oscar-Preisträger Kevin Spacey, erhielt mehrere Filmpreise, darunter sechs Emmy-Auszeichnungen und zwei Golden Globe Awards.

Netflix stieg - auch dank solch wegweisender Produktionen - zum Platzhirsch unter den Streamingdiensten auf und liefert sich seither in den USA mit Amazon einen erbitterten Zweikampf um die Fernsehzuschauer. Wie die Wirtschaftsprüfergesellschaft PwC bereits konstatierte, üben die Streamingdienste immer mehr Druck auf die traditionellen TV-Sender aus - für die Streamingdienste scheint noch viel Luft nach oben. Auch deshalb avancierte die Netflix-Aktie in den vergangenen Jahren zu einem Geheimtipp am Börsenhimmel. Doch die Konkurrenz ist groß, und der Wettbewerb dürfte sich weiter verschärfen, wenn Apple bald ins TV-Geschäft einsteigt. Der iPhone-Konzern möchte seine Ressourcen nutzen, um aus Apple TV 4 eine Plattform zu machen, die es mit Netflix aufnehmen kann.

Flucht vor der Konkurrenz: Netflix auf Wachstumskurs

Mit der explosionsartigen Expansion Anfang des laufenden Jahres hatte Netflix die Flucht nach vorn gewagt. Im Januar startete der US-Konzern seinen Streamingdienst in 130 neuen Ländern - ein Großprojekt. Seitdem ist Netflix fast global verfügbar, bis auf China und einige wenige Länder wie Nordkorea. Im ersten Quartal stieg die Zahl der Nutzer in den USA um 2,23 Millionen und im Rest der Welt kamen durch die Expansion 4,5 Millionen hinzu. Netflix hat nun 81,5 Millionen Mitglieder weltweit, davon kommen knapp 47 Millionen aus dem langjährigen Kernmarkt USA.

Damit ist Netflix der weltweit größte Streamingdienst, doch die Marktführerschaft wurde teuer erkauft: Zwar wuchs der Umsatz im ersten Quartal im Jahresvergleich um rund 30 Prozent auf 1,81 Milliarden Dollar und der Gewinn stieg von 24 auf 28 Millionen Dollar, der internationale Ausbau brachte außerhalb der USA aber einen operativen Verlust von 104 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Im Heimatmarkt erwirtschaftete Netflix auf dieser Basis einen Gewinn von 413 Millionen Dollar.

Netflix-Anleger enttäuscht über Quartalsbilanz und Ausblick

Hat sich Netflix übernommen? War der Streamingdienst bei seiner globalen Wachstumsstrategie zu machtbesessen, zu gierig wie seine eigene Serienfigur "Frank" Underwood? Stürzt das Kartenhaus nun zusammen? Die Netflix-Anleger reagierten jedenfalls enttäuscht auf das Quartalsergebnis und verkauften ihre Anteilsscheine in Massen. Die Aktie schickten sie am Dienstag tief in die Verlustzone: An der Frankfurter Börse rutschte das Netflix-Papier zeitweise deutlich mehr als sieben Prozent ab. Im frühen US-Börsenhandel brachen die Anteilsscheine von Netflix sogar über zehn Prozent ein.

Der Ausblick für das laufende Quartal liegt aus Investorensicht unter Plan. Netflix rechnet für den Zeitraum zwischen April und Juni nur noch mit einem Zuwachs von zwei Millionen Nutzern außerhalb der USA. Im Heimatmarkt soll es noch ein Plus von 500.000 geben. Das ist ganz ordentlich, doch die Erwartungen der Märkte sind höher - vor allem, weil die Aktie mittlerweile mit dem 400-fachen ihres aktuellen Gewinns bewertet ist. Im Vorjahresquartal zählte Netflix international noch 2,37 Millionen neue Abonennten und rund 900.000 neue Kunden in den USA.

Die Netflix-Konkurrenz schläft nicht

Netflix-Gründer und -Chef Reed Hastings ging nach der Zahlenvorlage auf die Sorgen der Aktionäre ein und versicherte, das Wachstum werde anziehen, wenn es in mehr Regionen lokalisierte Versionen in Landessprachen geben werde. Und Hastings weiß auch, wie schwierig die Zeiten für den US-Streamingdienst sind und weiter bleiben werden: "Es gibt so viele Konkurrenten und sie arbeiten alle hart", räumte der Netflix-Chef ein.

Ja, die Konkurrenz schläft nicht: Amazon bietet nun seinen Streamingdienst "Prime Video" nun auch separat an. Für monatlich 8,99 Dollar können Nutzer den Dienst nun buchen - ein Kampfpreis, denn er liegt um einen Dollar unter dem beliebtesten Netflix-Tarif. Auch in Deutschland unterbreitet Amazon seinen Kunden ein ähnliches Angebot.

Die Netflix-Aktie hatte sich seit Februar in einem kurzfristigen Aufwärtstrend befunden. Doch mit 110 Dollar - vor Vorlage der Quartalsbilanz - hatte das Papier noch deutlich unter dem charttechnischen Widerstand bei 125 bis 130 Dollar notiert. Von diesen Gefilden ist die Netflix-Aktie nach dem erneuten Kursrutsch nun weit entfernt.

Ernüchterung bei den Anlegern - Netflix fehlt eine Vision

Bei den Anlegern macht sich erst einmal Ernüchterung breit, es fehlt an Phantasie für den Netflix-Kurs. Und auch Analyst Needham & Company, LLC senkte am Dienstag das Kursziel für die Netflix-Titel von 125 auf 115 US-Dollar.

Dass der Netflix-Chef nun vielleicht doch den Nutzern ermöglichen will, Videos für später auf ein Gerät herunterzuladen, riecht nach Schadensbegrenzung. Dem Streamingdienst fehlt es derzeit an einer Vision, es fehlt an einer Vision à la "House of Cards".



Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.at

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