26.03.2015 18:57:48
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UPDATE/Co-Pilot von 4U 9525 fliegt 149 weitere Menschen in den Tod
-- Lufthansa-Chef Carsten Spohr spricht von einem tragischen Einzelfall
-- Spohr verteidigt die Sicherheits-Checks bei der Pilotenausbildung
-- Vereinigung Cockpit warnt vor voreiligen Schlüssen
(NEU: Weitere Reaktionen)
Von Archibald Preuschat
KÖLN (Dow Jones)--Zwei Tage nach dem Absturz des Germanwings-Fluges 4U 9525 scheint die Ursache für die Katastrophe, bei der 150 Menschen ums Leben kamen, festzustehen. Auch Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Germanwings-Konzernmutter Lufthansa, ließ wenig Zweifel daran, dass der Co-Pilot die Maschine absichtlich gegen eine Felswand in den südfranzösischen Alpen steuerte. Grundlage dafür sind die Aussagen des leitenden Staatsanwalts in Marseille nach der ersten Auswertung des Sprachrekorders im Cockpit.
"Wir sind fassungslos. Das haben wir uns in unseren schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können", sagte Spohr am Donnerstag auf einer Pressekonferenz am Köln-Bonner Flughafen, wo die Lufthansa-Tochter Germanwings beheimatet ist. Dennoch bleiben einige Fragezeichen.
Der Co-Pilot, den der französische Staatsanwalt als Andreas Lubitz identifiziert hatte, begann 2008 seine Ausbildung zum Piloten, unterbrach diese aber vor sechs Jahren für einige Monate. Spohr betonte aber, dass der 28-jährige Co-Pilot des Unglücksflugs seine Eignung zum Piloten bei Wiederaufnahme der Ausbildung erneut vollumfänglich nachgewiesen habe. Er sei "voll flugfähig" gewesen und habe auch keinerlei Auffälligkeiten gezeigt. Zu den Gründen für die Ausbildungsunterbrechung wollte sich Spohr nicht äußern. Beide Piloten des Unglücksfliegers hätten nicht nur medizinischen Tests bestanden, sondern seien auch "zu 100 Prozent" flugtauglich gewesen, ohne Einschränkungen und Auflagen. Die fliegerischen Leistungen seien stets einwandfrei gewesen.
"Egal, welche Sicherheitsvorkehrungen sie haben, ein solches Ereignis lässt sich nie ganz ausschließen", sagte Spohr, der die Tests und Auswahlverfahren für Lufthansa-Piloten ausdrücklich verteidigte. "Ich habe vollstes Vertrauen in unsere Piloten", sagte Spohr und nannte den offenbar mutwillig herbeigeführten Absturz der Germanwings-Maschine, die auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf war, einen "tragischen Einzelfall".
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit warnte indes vor voreiligen Schlüssen: "Woran macht man beispielsweise fest, dass der Sinkflug vorsätzlich eingeleitet wurde?", fragte deren Sprecher Jörg Handwerg, selbst Pilot, in einem Gespräch mit dem Handelsblatt. "Aus unserer Sicht sind noch andere Möglichkeiten als Vorsatz denkbar. Selbst der Staatsanwalt hat nicht von Suizid gesprochen." So wisse man zum Beispiel noch nichts über den technischen Zustand des Flugzeugs. "Deshalb brauchen wir eine Auswertung des Flugdatenschreibers", forderte Handwerg.
Es gebe derzeit keine Erkenntnisse, die der Darstellung der Staatsanwaltschaft in Frankreich entgegenstehen. "Es muss also davon ausgegangen werden, dass tatsächlich dieses Einzelschicksal, über dessen Hintergründe noch nichts bekannt ist, zu dieser Tragödie geführt hat", heißt es indes in einer Mitteilung der Gewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter Organisation, kurz UFO, in der das Kabinenpersonal organisiert ist.
Die Lufthansa habe eines der besten Auswahlverfahren der Welt, sagte Spohr. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass man das Auswahl- und Trainingsverfahren nicht auch noch verbessern könne, räumte Spohr auf Nachfrage ein. "Wir werden uns natürlich überlegen, was können wir besser machen bei der Auswahl und der Ausbildung unserer Piloten", sagte Spohr.
Auf die Frage, ob künftig eventuell ein Mitglied der Kabinencrew ins Cockpit kommen müsse, wenn einer der beiden Piloten die Kanzel verlasse, antwortete Spohr ausweichend. "Das ist ein Einzelfall, aber wir werden uns mit den Behörden zusammensetzen, ob die Verfahren angepasst werden müssen." Inzwischen haben bereits erste Politiker entsprechende Forderungen gestellt. Die Fluglinie Norwegian Air Shuttle hat ihre Sicherheitsvorschriften bereits entsprechend geändert. Künftig müsse das Cockpit immer von mindestens zwei Menschen besetzt sein, erklärte am Donnerstag ein Vertreter der drittgrößten europäischen Billigfluglinie. "Es kann das Cockpit nur verlassen werden, wenn noch zwei Menschen darin bleiben", sagte Thomas Hesthammer der Nachrichtenagentur AFP.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Marseille hat der Co-Pilot des Airbus A320 der deutschen Germanwings "bewusst die Zerstörung des Flugzeugs eingeleitet und verursacht", sagte der zuständige Staatsanwalt Brice Robin am Donnerstag nach der Auswertung des Sprachrekorders. Demnach habe der Co-Pilot bewusst den Sinkflug der Maschine mit 150 Menschen an Bord eingeleitet und den Piloten, der sich zu diesem Zeitpunkt außerhalb des Cockpits befand, trotz dessen Aufforderung nicht mehr in die Pilotenkanzel zurückgelassen.
Robin zufolge habe der Pilot versucht, Zugang zur Kanzel zu bekommen. Aus dem Cockpit heraus sei kein Notruf abgesetzt worden. Der Co-Pilot habe offenbar "bewusst nicht reagiert", erklärte der Staatsanwalt. Der Sinkflug könne nicht versehentlich ausgelöst werden, es müsse sich dabei um eine bewusste Handlung gehandelt haben. Einen Grund für einen Sinkflug habe es nicht gegeben.
Zudem habe es keinerlei Kontakt zum Tower nach dem Aussperren des Piloten gegeben, so der Staatsanwalt. "Es gab keinerlei Reaktion" des 28-jährigen Co-Piloten, sagte Robin unter Berufung auf die Auswertung des Stimmenrekorders der Airbus-Maschine. Von einem Terroranschlag gehe die Staatsanwaltschaft nicht aus. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere sagte in Berlin, es gebe keinerlei Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund des Co-Piloten. Alle Crewmitglieder seien mit Blick auf Bezüge zu Terrorismus oder sonstige Sicherheitsbedenken überprüft worden. "Sie waren alle negativ", sagte de Maiziere zu diesen Überprüfungen.
Deutsche Ermittler haben derweil mit einer Durchsuchung des Elternhauses des Co-Piloten begonnen. "Wir führen eine Durchsuchung des Elternhauses durch", sagte der zuständige Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück dem Wall Street Journal. Alle Untersuchungsmaßnahmen seien eingeleitet worden.
Aufgrund des vom Co-Piloten eingeleiteten Sinkflugs zerschellte der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings am Dienstag auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf mit 150 Personen an Bord. Unter den Toten sind nach letzten vorliegenden Informationen vermutlich 75 Deutsche und viele Spanier. Die Maschine verunglückte nahe der Ortschaft Seyne in einem schwer zugänglichen Gebiet in den südfranzösischen Alpen.
Spohr, der die Kosten im Lufthansa-Konzern senken will, und Billig-Fluglinien ausbauen möchte, lehnte es ab, an diesem Tag über die Zukunft dieser Pläne zu sprechen. "Heute ist nicht der Tag, um über die zukünftige Strategie der Lufthansa zu spekulieren. Wir alle müssen erst einmal damit klar kommen, was passiert ist, und dann werden wir uns zu gegebener Zeit zusammensetzen."
Auch auf Haftungsfragen wollte der Lufthansa-Chef nicht eingehen: "Es gibt internationale Richtlinien, und an die halten wir uns", sagte er lediglich. Was die von der Airline angebotene finanzielle Soforthilfe für die Angehörigen angeht, wollte Spohr keine Angaben zur Höhe des Hilfe geben. Die Lufthansa sei aber finanziell stark genug, um die Folgen des Unglücks zu bewältigen.
Kontakt zum Autor: archibald.preuschat@wsj.com
DJG/apr/kgb/mgo/bam
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March 26, 2015 13:27 ET (17:27 GMT)
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