"Branche leidet" 18.05.2016 10:35:00

VIG-Chefin Stadler: Niedrigzinsen lasten auf Lebensversicherung

Die Kunden spüren dies vor allem bei der Verzinsung in der Lebensversicherung. Die neue Chefin Elisabeth Stadler will den Herausforderungen mit Kostensenkungen entgegentreten. Ein Sparprogramm wird es nicht geben. Eigenvorsorge ohne Garantien ist für sie schwer vorstellbar.

Unter den niedrigen Zinsen leidet die gesamte Versicherungsbranche, auch die VIG, sagt die seit Jahresbeginn amtierende Konzern-Chefin im APA-Interview. Dabei habe die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Ziel, die europäische Wirtschaft zu beflügeln, nicht erreicht. Sparer und Vorsorgewillige seien dagegen mit Verlusten konfrontiert. Eigenvorsorge sei in ganz Europa ein Thema, es stelle sich die Frage, wie dies mit der Geldpolitik in Einklang zu bringen sei.

Niedrige Zinsen seien aber mittlerweile das tägliche Brot der Assekuranz geworden. Man habe Maßnahmen gesetzt und versuche, die Auswirkungen von den Kunden fernzuhalten und den Niedrigzinsen auch mit neuen Produkten zu begegnen. Die Kunden würden die Niedrigzinsphase vor allem bei der Gewinnbeteiligung in der Lebensversicherung spüren. In der Schaden- und Unfallversicherung hätten die Versicherungen ebenfalls Reserven aufgebaut, die auch zu veranlagen seien. Die Kunden müssten sich darauf einstellen, dass es nicht mehr so hohe Renditen gebe. Die Versicherungen müssten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren - die Absicherung biometrischer Risiken.

In der Lebensversicherung beispielsweise gehe der Trend weg vom Garantiezins und stärker hin zu Fondsgebundenen Lebensversicherungen. Er werde aber weiterhin einen hohen Anteil mit Garantien geben. Eine Pensionsvorsorge ohne Garantie kann sich Stadler nur schwer vorstellen. Eine gute Kombination sind ihrer Ansicht nach ein sicherer Teil und ein volatiler Teil. Einen Garantiezins hält sie für sinnvoll. Der Garantiezins, den die Versicherungen ihren Kunden höchstens versprechen dürfen, liegt in Österreich aktuell bei 1 Prozent, dazu kommt noch die Gewinnbeteiligung. In Deutschland sind es noch 1,25 Prozent. In Österreich sei man immer schon vorsichtiger gewesen.

Die Einmalerläge in der Lebensversicherung habe die VIG bewusst zurückgenommen. Es würden aber nach wie vor Einmalerläge akzeptiert, von großen institutionellen Anlegern aber nur zu entsprechenden Konditionen. Bei den Verträgen gegen laufende Prämie sei die VIG im Vorjahr dagegen gewachsen. Diese Tendenz setze sich auch heuer fort.

Von der Politik in Österreich wünscht sich Stadler ein klares Bekenntnis zur zweiten (betrieblichen) und dritten (privaten) Säule der Altersvorsorge. Es wäre daher sinnvoll, die zweite und dritte Säule mit steuerlichen Förderungen zu stützen, damit würde man auch dem staatlichen Pensionssystem helfen.

Die private und betriebliche Pensionsvorsorge ist für Stadler nicht nur in Österreich ein Thema. Auch in Mittel- und Osteuropa gebe es angesichts der demografischen Entwicklung Bedarf nach einer zusätzlichen Absicherung.

Eine ganz wichtige Sparte sei die Krankenversicherung, die die VIG in CEE im Zuge ihrer Wachstumsstrategie verstärkt anbieten will. Zahlungen im Krankheitsfall gebe es in einigen Ländern in Rahmen von Unfallversicherungen, es gebe aber Bedarf nach einer echten Krankenversicherung, wie sie mancherorts oft noch nicht üblich sei, inklusive beispielsweise Assistance-Leistungen und Service. Auch in Österreich sieht die VIG-Chefin noch Potenzial für die private Krankenversicherung. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit hätten sich in den letzten zehn Jahren nicht nur in Österreich, sondern in allen Ländern, in denen die VIG vertreten ist, verdoppelt. Aktuell hat die Krankenversicherung in der VIG nur einen Anteil von 5 Prozent am Gesamtgeschäft, die Lebensversicherung von rund 45 Prozent und die Schaden/Unfallversicherung von 50 Prozent.

Kostensenkung bei VIG angesagt - Mehr Immo-Investments

Zur Kostensenkung will die VIG-Chefin die Prozesse weiter vereinfachen und optimieren sowie Synergien heben, auch durch eventuelle Vereinheitlichung von Back-Office-Tätigkeiten einzelner Gesellschaften, wobei Fusionen nicht gänzlich ausgeschlossen werden - derzeit sind es 50 Gesellschaften in 25 Ländern. "Es wird definitiv kein Sparpaket geben", betonte Stadler im APA-Interview.

Die eigenen Kosten könne man eher beeinflussen - die Schäden dagegen kaum. Allenfalls durch Portfoliobereinigung, also etwa indem man sich von unrentablen Kunden trennt, könne man die Schäden nach unten drücken, das dauere aber zum Beispiel in der Autoversicherung mehrere Jahre.

Die Combined Ratio (Kosten und Schäden gemessen an den Einnahmen) wolle sie mittelfristig, binnen drei bis fünf Jahren, von zuletzt 97,3 auf 95 Prozent herunterbringen, so Stadler. Am intensiven Kampf um Kfz-Kunden mit Dumping-Preisen wie in Polen, Slowakei oder Rumänien beteilige man sich nicht.

In Infrastruktur würde Stadler gerne Geld veranlagen, doch seien dazu noch gesetzliche Erleichterungen nötig. Infrastruktur-Investments würden sehr gut zur Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns passen, "wir prüfen derzeit auch mehrere Projekte in Österreich und in Osteuropa" - eine Gaspipeline sei nicht dabei. In Österreich sei die VIG einer der größten Finanzierer im gemeinnützigen Wohnbau.

Ausweiten will die VIG-Chefin Immo-Investments in Österreich, Ost- und Westeuropa. Aktuell liegt man bei knapp über 6 Prozent Immo-Anteil, darunter viele "sehr gute Innenstadt-Lagen". Mit 70 Prozent entfällt der Großteil auf Anleihen. In der Sparte Leben müsse man auch sichere Staatsbonds mit im Portfolio haben, zum Glück habe man die schon vor längerer Zeit "hold to maturity", also bis zum Abreifen, günstig erworben - vielfach mit noch zwanzig Jahren Laufzeit. Auf Darlehensvergaben, die zur Zeit 9 Prozent der Veranlagungen ausmachen, lege man strategisch keinen Schwerpunkt.

Mit dem VIG-Aktienkurs könne man natürlich nicht zufrieden sein, der sei "alles andere als erfreulich", räumte Stadler ein. Doch zeige ihr Strategie-Update für den Konzern, dass man sichtbar auf Expansion setze. Den Investoren wolle man zeigen, dass die VIG ihre Aktivitäten nicht nur plane, sondern auch wirklich umsetze, "und dann wird sich die Aktie hoffentlich wieder positiver entwickeln".

"Wir haben ein klares Wachstumsziel", so Stadler. In Ungarn, Serbien, Kroatien und Ungarn wolle man mittelfristig in den nächsten drei bis fünf Jahren den Marktanteil auf mindestens 10 Prozent erhöhen. Bevorzugt werde organisches Wachstum, aber auch weitere Akquisitionen sind nicht ausgeschlossen. Die VIG screene diesbezüglich die 25 Länder, in denen sie tätig ist. "Wenn es ein Angebot gibt, schauen wir uns das an."

Zu Frage der Finanzierung des Wachstums verweist Stadler auf eine gute Kapitalausstattung. Die Solvency-II-Quote liege nach bisherigen Berechnungen bei rund 200 Prozent. Wenn die Rahmenbedingungen passten, sei bei einem allfälligen Finanzbedarf auch eine Kapitalerhöhung nicht ausgeschlossen. Für kleinere Akquisitionen habe man Geld genug. Stadler ist zudem überzeugt, dass die neuen Eigenkapitalregeln für Versicherungen (Solvency II) in der Versicherungswirtschaft Europas noch "einiges an Konsolidierung" zeigen werde, die die VIG entsprechend nutzen könne. Österreich und CEE "sind unser Heimatmarkt", auf den sich die VIG fokussieren wolle. In Deutschland fahre die VIG eine sehr erfolgreiche Nischenpolitik, hier sieht Stadler noch Potenzial. In Rumänien funktioniere der Optimierungskurs sehr gut, das Gewinnen von Neukunden sei durch das Ausscheiden von Mitbewerbern möglich.

Für einen Schock an der Börse hatte im Herbst eine überraschende IT-Abschreibung von 195 Mio. Euro gesorgt, die auch das Jahresergebnis verhagelte. Der Vorsteuergewinn (EGT) brach 2015 um zwei Drittel 172 Mio. Euro ein, das Konzernergebnis um fast drei Viertel auf 98 Mio. Euro, die Dividende wurde von 1,40 Euro auf 60 Cent je Aktie gekürzt. Für 2016 ist zumindest eine Verdoppelung des EGT geplant bzw. eine Anhebung auf bis zu 400 Mio. Euro. Beim Ergebnis sei man "auf Kurs", so Stadler; kommende Woche gibt es die Erstquartalszahlen.

Einen Grund, wegen der IT-Mega-Abschreibung am SAP-System im Konzern zu rütteln, sieht Stadler nicht. Fast jedes Unternehmen verwende eine Applikation dieses Herstellers, natürlich seien aber Versicherungsverwaltungssysteme etwas sehr Spezielles. Die VIG passe ihre IT regional an, es gebe vier, fünf Insellösungen im Konzern. Geringe Abschreibungen könne es hier auch künftig geben, wie schon in den letzten Jahren, denn die Abschreibungsdauer von 10, 15 Jahren überlebe kaum noch ein IT-System.

Zur Heta werde man sich das für Mittwoch erwartete neue nachgebesserte Angebot "ansehen" und die Bedingungen dahinter prüfen und danach entscheiden, so Stadler am Dienstagnachmittag. Dem seinerzeitigen ersten Offert hätte die VIG für ihre 50 Mio. Euro vorrangigen Senior Bonds - die zur Hälfte, also auf 25 Mio. Euro, abgeschrieben sind - zugestimmt, doch erhielt das Angebot nicht die erforderliche Gläubigerzustimmung. Ein weiteres Paket, 50 Mio. Euro nachrangige Heta-Bonds, hat die VIG schon länger auf Null abgeschrieben.

itz/sp/cs

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