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05.02.2016 13:40:10

Börse Frankfurt-News: Welche Beudeutung hat die US-Wahl für Aktienmärkte? (Halver)

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 5. Februar 2016. Halver blickt auf das US-amerikanische Wahlkampfgetümmel und die Verknüpfungen zur Konjunktur.

US-Wahlkämpfe sind etwas Besonderes. Illustre Kandidaten besetzen die gesamte politische Farbpalette von links bis rechts, von ultraliberal bis erzkonservativ und tief religiös. In Vorwahlen zerfleischen sich dann die Kandidaten des demokratischen bzw. republikanischen Lagers, damit sich offensichtlich die Spreu vom Weizen trennt: Die oder der vermeintliche Beste soll in das Rennen um den Präsidentenposten geschickt werden.

Besonders "herzerfrischend" ist der Polit-Neuling - besser gesagt Outlaw - Donald Trump. Seine klar und einfach formulierten "Botschaften" würden in Europa vermutlich Massenproteste auslösen. Dennoch gehen US-amerikanische Freunde von mir das erste Mal seit langer Zeit wieder zu Wahlkampfveranstaltungen, nicht weil sie Trump unbedingt für den besten Präsidentschaftskandidaten halten, sondern weil seine Show-Auftritte jede Show in Las Vegas schlagen.

Im Land der unbegrenzten Polarisierung hat Trump einen Trumpf

Er feiert sich als Gegenpol zu einem glatt gelutschten Washingtoner Polit-Apparat, der vielen Amerikanern verhasst ist. Donald ist die ehrliche Haut, der aber so richtig gegen den politisch korrekten Strich bürstet. Nicht zuletzt ist er das Sinnbild dafür, niemals aufzugeben: Er war Milliardär, dann fast pleite und heute wieder Milliardär. Ein gelebter amerikanischer Traum, oder?

Donald Trump erinnert mich an Ronald Reagan. Auch er war ein politischer Neuling, wenn man einmal von seinem Amt als Gouverneur im showtime state California absieht. Ich denke zurück an Reagans polarisierenden Wahlkampf 1980. Mit seiner Marktradikalität zeigte er dem damals vorherrschenden Zeitgeist des nachfrageorientierten Keynesianismus die dunkelrote Karte. Und niemals zuvor hat ein Präsidentschaftskandidat der damaligen Sowjetunion so eiskalt lächelnd klar gemacht, dass sie den Kalten Krieg mit Pauken und Trompeten verlieren wird.

Heißt es im US-Wahlkampf bald wieder "Freiheit statt Sozialismus"?

Den Vorwahlen im Bauernstaat Iowa wird vielfach eine ähnliche Signalwirkung für die Kür zum Präsidentschaftskandidaten zugebilligt wie Alcoa - weil es seine Ergebnisse als erstes Unternehmen bekannt gibt - für die gesamte US-Berichtsaison. Aber so wie der Aluminiumwert natürlich kein Indikator für Ergebnisse von Banken, Konsum- oder Telekomwerten sein kann, kann auch die Vorwahl in Iowa keinen validen Hinweis auf die Kandidatenauswahl geben. Wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn der Bibel treue Ted Cruz im bible state Iowa nicht gegen den weniger "christlich" auftretenden Trump gewonnen hätte?

Viel überraschender - und dennoch nicht unbedingt wegweisend - ist das Ergebnis von Iowa für das demokratische Lager. Hillary Clinton liegt nur knapp vor Bernie Sanders. Dabei sollte sie als Ex-First Lady und Ex-Außenministerin, die sich in Washington genauso perfekt auskennt wie in ihrer Handtasche, eigentlich doch die logische, erste Wahl der Demokraten sein, oder? Und dennoch gilt sie bei vielen demokratischen Wählern als "more of the same", eine fortsetzende Kopie der Politik Barack Obamas, dessen Fähnchen "Yes, we can" längst auf Halbmast hängt. Außerdem ist vielen die Häufung von Präsidentenämtern im Clinton-Clan ein Dorn im Auge.

Überhaupt scheint sich gerade bei vielen Jungwählern zwischen 18 und 34, die nach Umfragen zu unglaublichen 49 Prozent Sozialismus gegenüber Kapitalismus bevorzugen und sich mehrheitlich der Occupy-Bewegung verbunden fühlen, ein neuer Zeitgeist auszuprägen. Amerikanische Gesellschaftsforscher sprechen bereits von der zweiten Hippie-Generation. Ihre Altersgruppe hat die bislang stärkste Wählergruppe - die Baby Boomer-Generation der heute 45- bis 65-jährigen - längst überholt. Und für sie kam, sah und soll siegen der demokratische Clinton-Herausforderer Bernie Sanders. Dieser frühere Underdog ist heute ihr Popstar wie früher Jimmy Hendrix in Woodstock. Er bezeichnet sich selbst als demokratischen Sozialisten - dabei ist "Sozialismus" in den USA doch eigentlich das Unwort jedes Jahres - und fordert doch tatsächlich eine radikale Anhebung des Mindestlohns, kostenlose Universitäten, staatlich bezahlte Elternzeit und anderes "linkes" Teufelszeug. Und doch hat der "Sozialist" Bernie Sanders mit Kleinspenden im letzten Quartal 2015 knapp 34 Millionen Dollar eingesammelt und liegt damit nicht wesentlich hinter Hillary Clinton mit ihren 38 Millionen. Wow!

Nun, es wird noch viel Wasser den Potomac River in Washington herunterfließen, bis wir wissen, welche Kontrahenten sich im Kampf um das White House duellieren. Die republikanischen Kandidaten liegen so nah beieinander, dass auch Donald Trump noch alle Chancen hat, republikanischer Präsidentschaftskandidat zu werden. Erst nach dem "Super Tuesday" am 1. März, wenn in 15 US-Bundesstaaten Vorwahlen stattgefunden haben, dürfte Klarheit herrschen. Wäre es nicht wie in einem packenden Hollywood-Streifen, wenn es erneut zu einem polarisierenden Wahlkampf wie zwischen Jimmy Carter und Ronald Reagan 1980 kommen würde: Auf der republikanischen Seite der konservative und sendungsbewusste Donald Trump und bei den Demokraten der Volkstribun der neuen amerikanischen Linken Bernie Sanders.

Ich vermute jedoch, dass die Demokraten letztendlich Mrs. Clinton nominieren werden. Sie hat nicht nur das weniger "sozialistische" und damit massenkompatiblere Wahlprogramm, sondern am Ende auch am meisten vom schnöden Mammon.

Das sich hartnäckige haltende Cliché: Republikaner sind besser für US-Aktien

Beharrlich wie Kaugummi am Schuh hält sich das Cliché, dass Republikaner besser für die US-Wirtschaft und amerikanische Aktien seien. Ad hoc scheint das einleuchtend zu sein, gelten sie doch als wirtschaftsliberal und weniger staatsfreundlich. Dieser Mythos geht insbesondere auf die Wirtschaftspolitik Reagans - die sog. Reagonomics - zurück, die zweifelsohne in den 80ern eine fulminante Aktienhausse lostraten.

Aber ehrlich gesagt stand Reagans angeblich neoklassischer Wirtschaftsansatz nicht nur für dramatische Steuersenkungen. Im Gegenteil, die für damalige Verhältnisse dramatische Staatsverschuldung der USA und gigantische Ausgabenerhöhungen vor allem für Rüstung waren eindeutig aus dem Lehrbuch von Keynes abgeschrieben.

Die üblichen Aktien-Freund- und -Feind-Bilder bekamen spätestens mit der Präsidentschaft des Demokraten Bill Clinton Risse. Ausgerechnet er als "Linker" glich den US-Staatshaushalt aus. Und mit einem Anstieg des S&P 500 um über 200 Prozent war Clinton der erfolgreichste US-Aktien-Präsident seit Ende des II. Weltkriegs. Allerdings konnte er nichts dafür: Ihm flogen die gebratenen Tauben des post-industriellen Zeitgeistes - New Economy - direkt in den Mund und eine hartnäckige Affäre nahm ihm wohl einfach die Zeit, linke Wirtschaftspolitik zu betreiben.

Die Aktien-Scherben der New Economy musste nicht mehr er, sondern sein Nachfolger Bush jr. aufkehren, den auch noch das Platzen der Immobilienblase heimsuchte. Mit ca. 40 Prozent Aktienverlust gewann ausgerechnet ein Republikaner die Goldene Himbeere des schlechtesten Aktien-Präsidenten der USA. Sein Nachfolger, der Demokrat Barack Obama, wurde anschließend unfreiwillig zum neuen Alltime-High-Präsidenten. Und dabei hatte er es doch aus ideologischen Gründen immer strikt vermieden, der Wall Street einen Besuch abzustatten.

Verkehrte Welt: Seit 1945 sind Demokraten die besten US-Aktien-Präsidenten

Ja, insgesamt hätte man seit Ende des II. Weltkriegs unter demokratischen Präsidenten deutlich mehr Geld mit US-Aktien als unter Republikanern gemacht: Hätte man am Tag des Endes des II. Weltkriegs am 2. September 1945 zwei Depots mit jeweils 100 US-Dollar eröffnet, diese 1 zu 1 in den S&P 500 investiert und das eine nur zu Amtszeiten von demokratischen und das andere nur zu republikanischen US-Präsidenten laufen lassen, hätte das demokratische das republikanische Depot bis dato mit 2.370 zu 523 US-Dollar meilenweit geschlagen. Mit "linken" Demokraten, die vom Glück des Zeitgeists gestalkt wurden, hätte man also mehr als viereinhalb so viel verdient wie mit "wirtschaftsliberalen" Republikanern.

von: Robert Halver

© 5. Februar 2016 - Baader Bank

Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank und Halvers Woche Bestandteil des wöchentlichen Kapitalmarktmonitors.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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