S&P 500
19.08.2016 20:40:39
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Börsen-Zeitung: Im Schwellenländer-Sog, Marktkommentar von Dietegen
Müller
Frankfurt (ots) - Das Niedrig- und Negativzinsumfeld in vielen
Industrieländern führt zu veränderten globalen Kapitalflüssen. So
wirken die im Vergleich zur Eurozone reizvollen Bondrenditen in
Schwellenländern als süßes Gift, das Investoren bereitwillig zu
nehmen bereit sind. Laut Daten von EPFR Global haben institutionelle
Vermögensverwalter in den vergangenen sieben Wochen netto über 20
Mrd. Dollar in Fonds für Schwellenländerbonds investiert, eine
Rekordmarke. Auch im Eigenkapitalmarkt waren institutionelle
Investoren aktiver und legten in den vergangenen sieben Wochen netto
14,6 Mrd. Dollar in Schwellenländeraktien an, so viel wie seit fast
zwei Jahren nicht mehr.
Mit dem Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank, das seit
Juni nun auch Unternehmensanleihen umfasst, dürfte dieser Trend in
die Ferne anhalten. Analysten erwarten durch das EZB-Kaufprogramm
eine Einengung der Risikoprämien im europäischen High-Yield-Markt,
was es wiederum für Investoren attraktiver macht, in höher
rentierende Papiere zu gehen. Die Emerging Markets bleiben damit im
Spiel.
Der Kapitalzufluss wird auch an der Erholung der Aktien-Benchmark
MSCI Emerging Markets deutlich. Nach dem am Mittwoch veröffentlichten
Protokoll der US-Notenbank zur vorigen Zinssitzung vom 26./27. Juli
büßte der Dollar leicht an Wert ein, da ein rascher Zinsschritt der
US-Währungshüter am Markt als unwahrscheinlich eingeschätzt wird.
Dies trieb den MSCI Emerging Market Index auf ein Jahreshoch und ließ
auch Währungen wie den brasilianischen Real gegenüber dem Greenback
anziehen. Das Schwellenländer-Comeback folgt auf eine ausgeprägte
Schwäche von Mitte 2014 bis in den Januar. Seit Anfang des Jahres hat
der MSCI Emerging Markets nun auf Dollar-Basis rund 15 Prozent
zugelegt, der S&P 500 stieg um rund 7 Prozent und der MSCI Europe
liegt leicht im Minus.
Die Bereitschaft renditesuchender Investoren, ins Fremdkapital von
Unternehmen aus Ländern wie etwa Brasilien, China oder Mexiko zu
investieren, führt auch zur stärkeren Vernetzung. Gegenseitige
Abhängigkeiten und Risiken steigen - taktisch wie strategisch. Netto
rund 10 Prozent der von Bank of America Merrill Lynch befragten
Vermögensverwalter halten derzeit den Kauf von
Schwellenländerschulden bereits für eine der am stärksten
"überfüllten" Asset-Positionierungen. Sollte die US-Notenbank sich
dazu durchringen, an der Zinsschraube zu drehen, könnte der Dollar
gegenüber wichtigen Schwellenländerwährungen wieder aufwerten und
damit eine Umkehr der Kapitalflüsse in Gang setzen - mit
unerwünschten Nebenwirkungen für die Investoren.
Auf dieses Risiko weist die Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich (BIZ) in einer aktuellen Studie hin. Die Autoren
Nikola Tarashev, Stefan Avdjiev und Ben Cohen sagen, dass ein Boom
privater Schulden zur Überhitzung in verschiedenen großen
Schwellenländern geführt habe und eine Abwicklung dieser Schulden
destabilisierende Kräfte freisetzen könne. Dies, weil absolut und
relativ betrachtet die Summen der Verbindlichkeiten von
Nichtfinanzunternehmen aus Schwellenländern seit der Finanzkrise
kräftig gestiegen sind - gerade im Verhältnis zu den entwickelten
Volkswirtschaften. Laut BIZ ist das Verhältnis von Verbindlichkeiten
zu Bruttosozialprodukt vor allem in China und in der Türkei gegenüber
dem langfristigen Trend sehr hoch.
Eine immer wichtigere Rolle nehmen dabei
Offshore-Verbindlichkeiten ein, also Schulden, die von einem
Schwellenländerkonzern über eine Tochtergesellschaft im Ausland
begeben werden, in der Regel auf Dollar lautend. Am aktivsten waren
hier chinesische, brasilianische und russische Unternehmen. Da der
Leverage in Fremdwährung viel stärker gestiegen ist als die Umsätze
dieser Unternehmen in der entsprechenden Fremdwährung, bergen hier
Wechselkursveränderungen Risiken. Die Episode der Renminbi-Abwertung
im vergangenen Sommer dürfte als ein Fingerzeig dienen.
Die BIZ-Autoren sagen, es bestehe in den Kapitalflüssen das Risiko
selbst verstärkender Effekte. Eine Dollaraufwertung könnte für
ausländische Geldgeber den Nettowert ihrer Kredite an Unternehmen im
Schwellenländerraum mindern. Dies würde die Bereitschaft
ausländischer Geldgeber senken, diesen Unternehmen Geld zu leihen -
es entstünde eine Negativspirale. Durch Offshore-Kredite ist auch
eine Rückkoppelung in die Industrieländer denkbar. Verlockenden
Renditen in Schwellenländermärkten zum Trotz ist dies nicht zu
ignorieren.
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